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Nachtragend zum Sinn des Lebens

Die Ballastung der Begriffe

W (BF) 22 <als unabhängige Ergänzung zu 21>

Lieber Herr Otto Mustermann,

gibt es einen Sinn im Leben?

Nur am Anfang und am Ende.

Dazwischen lache ich mich tot.

Und sollte ich einmal sterben,

dann nur über meine Leiche.

Man lacht sich krumm und dämlich…, doch Vorsicht! Hier spricht die reine Vernunft:

Noch einmal das, was im Blog 21 kaum zur Sprache kam:

Der Sinn des Lebens wird sein, wenn man das Leben während des Lebens gelebt hat.

Irgendwo zwischen Geburt und Tod müsste eigentlich einen Sinn auf uns lauern, den wir nicht zu fassen bekommen. Gut, man lacht verbittert darüber und heiter dazwischen, besonders wenn treffende Wortspiele und geistreichhaltige Schlagfertigkeiten zu vertreten sind — dennoch sollte eine Erkenntnis dieser Art tiefer greifen, als die seichte Pointe zu versinken droht.

Eins stellt sich ziemlich unwiderstehlich dar: Man bemüht sich, den ganz gewissen, übergeordneten Sinn des Lebens zu erkennen, die Formel der Existenz zu entdecken —  wissen aber nicht, was folgen würde, wenn sich das totale Wissen global offenbaren sollte. Diese mächtige Gewalt in sterblichen Köpfen nährt die Unberechenbarkeit und Straflust der Götter.

Vorhergesagt, wären die Folgen verheerend.

Auch wenn Ihnen ein hochprozentig vergünstigten „Sinn des Lebens“ angeboten wird, lehnen Sie diesen ab! BITTE! Warum? Sind Sie so reich, dass Sie sich billige Dinge leisten können? Nun ist es so: Weil der Mensch die vollkommene und allumfassende, absolute Wahrheit (dem direkten Blick in die Sonne gleich), nicht ertragen kann; weil die Erkenntnis in der Größenordnung eines totalen „Sinn im Leben,“ sich höchstwahrscheinlich katastrophal auf die Menschheit auswirken dürfte.

Der lang ersonnene Sinn, käme es unglücklicherweise soweit ihn zu erfahren, wird sich vermutlich als endgültig, streng, humorlos und vereinnahmend erweisen. Bedenken Sie folgendes: diese Wahrheit duldet keine andere neben sich; kennt auch nichts anderes, außer die eigene vollkommene Bedeutung; lässt keine Hinterfragung zu; Kritik an ihr absolutes Sein ist absurd. Wahrheits allumfassendes SEIN ist DER absolute Sinn des Lebens.

Gott bewahre davor! Rolle dennoch die Walze dieser unbeschränkten Befugnis auf uns zu, alle auf einmal würden das Gleiche wissen; verfügen würden die Menschen über alle überhaupt möglichen Kenntnisse, aber nicht über deren individuelles Bewusstsein; jeder erfahre die selbe einheitliche, totalitäre Wahrheit, welche die vitalen Unterschiede zwischen ICH und DU im Treibsand der Verallgemeinerung versumpfen ließe.

Die Teilwahrheiten, fortwährend bestrebt mehr als ihre Summe zu sein, gestalten das Dasein, während diese, von der wir als die Summe der Summen sprechen, es zugrunde richtet.

Käme es bedauerlicherweise zu einer Berührung mit dem machthungrigen, über alles schwebenden, wahrheitsgetreuen und wirklichkeitsfremden Sinn des Lebens — abgesehen vom Körper und Organismus — Hauptleidtragender dabei wäre wohl der menschliche Geist. Der Geist ist diejenige, im Bewusstsein des Individuums für ihre Bemühungen bekannte Instanz, die eine vom Geist befallene Persönlichkeit, mit neuen Erkenntnissen versorgt und dadurch bereichert. Allerdings verkörpert der unbefriedigte Geist den spezifischen Drang, immer mehr Wissen anzuhäufen, als dies gesund wäre.

Für das wohltuende Maß an Beschlagenheit sorgt eben der Selbsterhaltungstrieb des Geistes, der diejenige Haltung zum Ausdruck bringt, die diesen Trieb nicht verdrängt. (Die Wiedergabe der Definition 66 am Ende dieses Blogs stimmt auch nicht ganz mit dem Original überein, dennoch ist sie korrekt im Sinne des Bagonalismus). Daraus lässt sich eine Teilwahrheit der bagonalistischen Erkenntnissen ableiten, die vor dem Grauen folgender Erfahrung warnen sollte: Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit über den Sinn des Lebens vereinsamt die Vervielfältigung der Masse.

So wäre immer noch die Suche nach dem persönlichen, eigenen Sinn im Leben eine Tat der durchschnittlichenVernunft. Also besteht der Sinn des Lebens dann doch darin, sich fortwährend auf seiner Suche zu begeben und insgeheim zu hoffen, dass der umfassend wirkende Sinn, einzig und gewaltig, unauffindbar bleibt. Mein Gott, er soll sich bloß im Verborgenen still verhalten und dafür sorgen, dass er nicht existent wird. Wenn aber um die Frage nach den Sinn des Lebens reger Andrang herrschen sollte, dann würden einige gezählte, simple Geistesblitze, rechtzeitig im aktuellen Wissensstand eingefügt, reichlich Offenbarung dargestellt haben, um eine drohende Postsintflut zu vermeiden.

Das Fundament des Bago wurde in „Sinn im Unsinn“ gegossen. Unvollkommen erscheint dieser im Vergleich der weitergreifenden Konsequenzen eines unendlichen Unsinns ohne jeglichen Sinn, der sich universell ausdehnend behaupten würde. Das ist es ja! Perfekt ist trivial und ereignislos. Was der perfekte Sinn des Lebens schließlich und endlich von sich zu geben im Stande sein wäre, ist bloß unermessliche Langeweile und Gleichmacherei.

Eine Weltformel in diesem Sinne stelle den blanken Unsinn dar, der ohne den geringsten Geistesfunke zu zünden, in seiner enormen Kompromislosigkeit die Schöpfung zu veröden und schließlich zu verneinen täte.

Dies ergibt tatsächlich keinen Sinn.

Nichts ergibt einen Sinn. Na, ja. So kann man das wirklich nicht sagen. Eigentlich heißt es: Das NICHTS ergibt keinen Sinn, da es im NICHTS auch keinen Sinn geben kann. Der totale SINN ist aber so total, dass er auch das NICHTS mit einbezieht.

NICHTS + SINN = UNSINN. Insofern gibt es den Sinn nicht, oder das Nichts ist der Zweck, welcher sich gleichzeitig durch nichts aufhebt. Verzeihung: Durch das NICHTS aufhebt! Jetzt stimmt es: NICHTS ergibt als ob den scheinbaren Sinn, der uns nicht gefährlich werden kann.

Wir folgern daraus, dass der absolute Sinn des Lebens im NICHTS aufgeht, während er dort letztendlich endgültig verschwindet. Allerdings, wie schon befürchtet, die Gefahr für das Dasein besteht auch im umgekehrten Zustand des NICHTS, und zwar dann, wenn ein Sinn im Leben gar nichts bedeutet.

Der bescheidene Mensch mit Selbsterhaltungstrieb seines Geistes, mit Bewusstsein und als wunderwirkendem Zufall unter großnatürlicher Absicht erschaffen, glaubt nicht an nichts. Er sucht nach etwas und wer suche der finde. Nicht etwa nach der großen Offenbarung (Gott sei Dank), sondern nach ausgeglichene Werte in kleinen Schritten, während der begrenzten Dauer seines Daseins, die seine Freizeit sinnvoll gestalten mögen. Mehr als SINNVOLL wäre nicht angebracht. Die Kapazität ist mit VOLL erschöpft und hängt, kaum vermeidbar, von der Akzeptanz der öffentlichen Meinung ab.

Nicht selten bezieht sich vieles auf den verborgenen Sinn, der ein gewisses Lächeln verursacht, wenn er erfasst wird. Dazu zählt auch der erwähnte Sinn im Unsinn, eine der Stützen des Bagonalismus. Die Summe der angehäuften Erfahrungen in diesem unseren Unsinne spricht für den gehobenen Verbraucher. Desselben Originalität würde darunter kaum Schaden erfahren, wenn bagonalistische Botschaften die Menschheit selten erreichen. Das schlussfolgert aus der Tatsache, dass der Bagonalismus total und universal ist. Es sind die kleinen Erkenntnissen, die zu seiner Großartigkeit führen, um ihn in einer übergeordneten Gesamtheit zu erfassen, welche…

Der Mensch lernt zwar dazu, aber nichts darüber hinaus.

Ich würde behaupten, dass der Sinn des Lebens der Ausdruck für diejenige Haltung ist, die den Selbsterhaltungstrieb des Geistes nicht verdrängt. Das macht Sinn, zumindest während man diesen Satz geneigt wäre zu akzeptieren!

Dieser Satz ist der 66-sten Definition des Bago entliehen. Ersetze man in obiger Formulierung den unfassbaren SINN des LEBENS mit dem bewerten Begriff BAGONALISMUS, haben wir einen vernünftigen Dauerbrenner in Taschenformat — die reinste Form schwarz auf weiß nachzuweisen, dass nicht alles einen Sinn anführen kann, wenn Unsinn die Welt beherrscht.

ERGO: Der Sinn im Leben ist nichts anderes als eine genüssliche Interprekativität in allen Phasen der Estagonie! Das heißt, der Bagonalismus führt zum einfacheren Weg, die Welt nicht mehr zu verstehen, und ist gleichzeitig die Kunst, diesen Weg zu meiden. (Definition 18).

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